Unterwegs in Fürstenfeldbruck

28. März, Donnerstag 13:45 Uhr: „Unterwegs“ – so lautet das diesjährige Motto des Kunstwettbewerbs der Bürgerstiftung Fürstenfeldbruck. Zehn Schüler*innen aus unseren vier BIK/Vs (Berufsintegrationsvorklassen – was für ein Wortungetüm) haben sich zum Foto-Workshop angemeldet und wollen als Team am Kunstwettbewerb teilnehmen. Noch hat niemand eine Idee, nicht die geringste Vorstellung darüber, was sie fotografisch erarbeiten möchten.

Bei unserem ersten Treffen geht es zunächst um eine Einführung in die Fotografie. So marschieren wir ganz bequem vom Container am Stockmeierweg Richtung Amperbrücke. Zur Verfügung stehen nur die Smartphones der Schüler*innen mit den Kamerafunktionen. Die erste Anregung für Impulse lautet: „Beginnt eure Umgebung aktiv wahrzunehmen und vor allem im Unauffälligen die Ästhetik zu entdecken und zu dokumentieren.“ Ästhetik – ein schwieriges Wort. Nachdem auch das geklärt ist, merken die Schüler*innen nach und nach, welche Perspektive, welche Einstellung, welches Zusammenspiel von Licht und Schatten gute Fotos ausmachen. Während unseres gemeinsamen Spaziergangs erkläre ich, wie aussagekräftig Fotografie sein kann, wann und zu welchem Zweck Fotografie eingesetzt wird und welche Wirkung ein Foto auf den Betrachter entfalten kann.

Gespannt und aufmerksam hören sie zu, und ich muss nicht lang bitten, mit dem Experimentieren zu beginnen. Mit jedem Schritt finden die Schüler interessante Objekte und beginnen alles, was sie neu gelernt haben, umzusetzen. Sie sind positiv überrascht, welche fotografischen Kunstwerke aus einem kleinen Ästchen, aus einem banal wirkenden Fenster oder einer abseits gelegenen Mauer entstehen können.

Unser Weg endet nach fast zwei Stunden unten am Fluss, wo die Fotos atmosphärisch am besten gelingen. Schon am ersten Tag entstehen neue Freundschaften und die Freude auf den morgigen Tag ist den jungen Leuten anzusehen.

29. März, Freitag, 13:00 Uhr: Die Erklärungen und Impulse von gestern haben weiterhin Gültigkeit. Allerdings nehmen wir heute einen anderen Weg. Dieses Mal biegen wir vom Stockmeierweg nach rechts in die Münchner Straße ab. Schon gleich begegnen wir vor einem türkischen Supermarkt zwei älteren Herren, die gerade dabei sind, Ware auszuladen. Dass wir kurz entschlossen das Obst und Gemüse fotografieren, erfreut sie so sehr, dass sie uns mit Bananen, Proviant auf unserem weiteren Weg, versorgen.

Nachdem wir sie verdrückt haben, benutzen wir die Bananenschalen außerdem zur Thematisierung von Konzeptfotografie.

Nach viel Gelächter und Smalltalk geht es konzentriert mit dem Fotografieren weiter. An diesem Tag erlaubt uns die Sonne das Arbeiten mit sehr viel Licht, starken Kontrasten und leuchtenden Frühlingsfarben.

Die Schüler*innen drücken schnell und spontan den Auslöser und entdecken, dass es, wenn es um authentische Fotografie geht, also wenn sie Stimmungen dokumentieren wollen, sie diese Entschlossenheit brauchen.

Auf unserem Weg führen wir immer wieder unbekümmert Gespräche mit den Stadtbewohnern und entdeckten die Stadt aus einem neuen Blickwinkel. Über eine Brücke erreichen wir das Emmeringer Hölzl, den großen Park, den viele noch nicht kennen. Dort beenden wir unseren zweiten Tag und gehen zusammen zurück zur Schule.

Für die nächsten Wochen lauten die anstehenden Arbeitsschritte: Fotos zusammentragen, Fotos sortieren, Fotos bearbeiten, Power Point erstellen, Fotos zum Druck geben und ein Ausstellungskonzept erarbeiten. Am Ende sind es mehr als 300 Fotos! Bei dieser großen Auswahl entscheiden sich die Schüler*innen für eine Foto-Installation, die unser „Unterwegssein“ in Fürstenfeldbruck dokumentieren soll.

17. Mai 2019, Freitag – der Tag der Ausstellung, 16:00 Uhr: Als wir die Ausstellungsräume betreten, sind wir alle überrascht und hocherfreut, weil unsere Installation, ein Netz mit ausgewählten Fotos, von der Decke runter in der Mitte des Raumes präsentiert wird.

Dass wir nicht den ersten Preis machen, ist zum Schluss Nebensache. Wichtiger ist die Frage: „Wann machen wir wieder Fotos“?

Melike Sungur, Sozialpädagogin